Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Promotionsangebote

Themen für mögliche rechtswissenschaftliche / rechtsgeschichtliche Dissertationen auf der Grundlage des Nachlasses der Familie Weissler

Zum Hintergrund

Im Jahr 1893 zogen Adolf Weissler (1855-1919) und seine Ehefrau Auguste, geborene Hayn (1860-1943), mit ihren drei Söhnen aus Königshütte in Oberschlesien nach Halle an der Saale. Beide Eheleute stammten aus jüdischen Familien, der Großvater von Adolf, Nathan Weißler (1772-1837) war Rabbiner in Myslowitz. Die Eltern von Auguste Hayn, Leopold und Marianna, geborene Friedländer, lebten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadt Kempen in der Provinz Posen, wo Leopold Hayn als Arzt und Kreisphysikus tätig war.

In Halle an der Saale setzte Adolf Weissler seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und ab 1899 als Notar fort, wirkte jedoch stärker als Verfasser rechtswissenschaftlicher Schriften und Kommentare und als Organisator in berufspolitischer Hinsicht. Auf seine Initiative hin wurde der „Deutsche Notarverein“ im Herbst 1900 in Halle an der Saale neu gegründet. Weissler wurde zum ersten Geschäftsführer des Vereins und zugleich zum Schriftleiter der „Zeitschrift des Deutschen Notarvereins“ gewählt. Er war Verfasser unter anderem eines in mehreren Auflagen erschienenen Formularbuchs für Freiwillige Gerichtsbarkeit, einer umfangreichen Geschichte der Rechtsanwaltschaft sowie einer Geschichte des preußischen Notariats. Von 1909 bis zu seinem Tod 1919 stand Adolf Weissler darüber hinaus der von ihm 1907 in Halle an der Saale mitbegründeten „Ruhegehalts-, Witwen- und Waisenkasse für deutsche Rechtsanwälte und Notare“ vor, dem historischen Vorläufer der heutigen Deutsche Anwalt- und Notar-Versicherung (DANV).

Die drei Söhne Otto (1884-1935), Ernst (1887-1972) und Georg Friedrich (1891-1937) nahmen nach ihren Reifeprüfungen Universitätsstudien an der Vereinigten Friedrichs-Universität zu Halle auf. Otto schloss das Studium der Philologie ab und wurde Lehrer, Ernst wechselte nach Abschluss des Jurastudiums und des Referendariats zur Musik, Friedrich wurde nach Jurastudium, Promotion und Referendariat im Jahr 1920 Richter, zunächst am Amtsgericht Halle, später an den Landgerichten Halle und Magdeburg.

Nach seiner Ernennung zum Landgerichtsdirektor am 29. Oktober 1932 und der Berufung an das Landgericht in Magdeburg zum 1. Dezember 1932 konnte Dr. Friedrich Weissler nur noch wenige Monate als Richter wirken. Nach der Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen einen verbotswidrig in Uniform vor Gericht erschienen SA-Mann am 15. Februar 1933 wurde er am 9. März 1933 von gewaltsam in sein Büro eingedrungenen SA-Männern öffentlich gedemütigt und bereits einen Tag später vom Dienst suspendiert. Mit Verfügung vom 21. Juli 1933 wurde er auf Grund des § 4 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus dem Justizdienst entlassen. Ab November 1934 war Friedrich Weissler, der wie seine beiden Brüder auf Veranlassung seines Vaters schon in jungen Jahren christlich getauft worden war, in Berlin als juristischer Mitarbeiter für die Vorläufige Kirchenleitung (VKL) der Bekennenden Kirche tätig. Nach der Veröffentlichung der an den Führer und Reichskanzler gerichteten Denkschrift der VKL vom 28. Mai 1936 durch die ausländische Presse im Juli 1936 wurde Friedrich Weissler von der Gestapo am 7. Oktober 1936 verhaftet, nach monatelangen Verhören in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt und dort am Morgen des 19. Februar 1937 mit schweren Misshandlungen tot in seiner Zelle aufgefunden.

Themenvorschläge für Dissertationen

Die nachfolgende Aufzählung möglicher Themen für eine wissenschaftliche Vertiefung im Rahmen einer Dissertation ist weder nach Zahl noch nach Inhalt abschließend. Sie enthält Vorschläge, die im Zusammenwirken mit mir auf wissenschaftliche Tragfähigkeit, thematischen Zuschnitt, Literaturlage und methodisches Vorgehen zu prüfen sind. Vor allem ist für jedes Thema in einer vorgeschalteten Recherche die Archivlage zu klären – gibt es Materialien und geben sie genug her?

  1. Der Hallische Jurist Dr. Friedrich Weissler (1891-1937) als Richter in Preußen
  2. Das Leben und Wirken des Reichsgerichtsrats Viktor Hoeniger (1880-1953)
  3. Die Gründung der Ruhegehalts-, Witwen- und Waisenkasse für deutsche Rechtsanwälte und Notare zu Halle a.d.S. im Jahr 1907 und die Rolle von Rechtsanwalt und Notar Adolf Weissler (1855-1919)
  4. Der Rechtsanwalt und Notar Adolf Weissler (1855-1919) als rechtswissenschaftlicher Schriftsteller. Eine Rezeptionsgeschichte
  5. Der Rechtsanwalt und Notar Adolf Weissler (1855-1919) aus Halle an der Saale und die Gründung des Deutschen Notarvereins im Oktober 1900
  6. Rechtsberatung und Rechtshilfe in der Diktatur – Das Wirken des „Büros Grüber“ in Berlin in der Zeit ab 1938
  7. Gesatzter Antisemitismus: Die Bedeutung sogenannter Judenklauseln im Vereins- und Versicherungsleben des Deutschen Reiches
  8. Zusammenhalt und Hilfe – die Bedeutung jüdischer Familienstiftungen im Deutschen Reich für Familienzusammenhalt und Lebenssicherung am Beispiel der Weissler’schen Familienstiftung
  9. Struktureller Antisemitismus im preussischen Justizministerium und an Gerichten und Staatsanwaltschaften in Preussen im Hinblick auf die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten bis 1933 an ausgewählten Beispielen
  10. Das Landgericht Magdeburg in der Weimarer Republik und in den Anfangsjahren des Nationalsozialismus. Auf Spurensuche in Rechtsprechung und Gerichtsorganisation
  11. Folgen der Arisierung von in jüdischem Eigentum stehenden juristischen Fachverlagen ab 1933 für Verlage, Autoren und rechtswissenschaftliche Inhalte
  12. Heinrich Hoeniger (1879-1961) – Professor für Arbeitsrecht in der Weimarer Republik und im amerikanischen Exil

Voraussetzung für die Bearbeitung eines Dissertationsthemas ist in wissenschaftlicher Hinsicht Interesse an Epoche, Personen und (justiz-)politischen Verhältnissen und selbstverständlich Freude am und Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten. Voraussetzung in rechtlicher Hinsicht ist die Erfüllung der Anforderungen nach der Promotionsordnung der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der MLU (http://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=23367&elem=194118 )

Bei Interesse bitte ich um Bewerbung für das gewünschte Thema mit einer kurzen Begründung sowie Informationen zum Studienverlauf und zu den Studienleistungen.

Halle, den 24. Mai 2017

Prof. Dr. Armin Höland ()

Ausgewählte Literatur:

Manfred Gailus, Friedrich Weißler. Ein Jurist und bekennender Christ im Widerstand gegen Hitler, Göttingen 2017

Johannes Weißler, Die Weißlers. Ein deutsches Familienschicksal, Badenweiler 2011

Armin Höland/Heiner Lück (Hrsg.), Juristenkarrieren in der preußischen Provinz Sachsen (1919-1945). Lebenswege und Wirkungen, Halle an der Saale 2004

Michael Germann, Friedrich Weißler im Dienst der Bekennenden Kirche, in: Höland/Lück a.a.O. S. 52-80

Hubert Rottleuthner, Karrieren und Kontinuitäten deutscher Justizjuristen vor und nach 1945. Mit allen Grund- und Karrieredaten auf beiliegender CD-ROM, Berlin 2010

Hubert Schorn, Der Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente, Frankfurt am Main 1959


Einleitung_Dissertationsthemen_240517.pdf (200,1 KB)  vom 26.05.2017

Zum Seitenanfang